III Dokmentation und Datensätze

Staaten

Frankfurt (1820-1865)

 

Staatsgebiet

Das Gebiet der Freien Stadt Frankfurt befindet sich in Westdeutschland und wird vom Großherzogtum Hessen-Darmstadt, dem Kurfürstentum Hessen-Kassel, dem Herzogtum Nassau und der Landgrafschaft Hessen-Homburg eingeschlossen. Neben dem Stadtgebiet Frankfurt gehören zum Staatsgebiet die sechs Exklaven Seulbergmark, Niedererlenbach-Dortelweil, Bonames, Niederursel, Hausen und die Exklave Gemeindewald der vier Frankfurter Dörfer Bonames, Niederursel, Erlenbach und Dortelweil. Hauptstadt und Sitz der Regierung ist die Stadt Frankfurt am Main. Frankfurt ist zudem Hauptstadt des Deutschen Bundes, Sitz der Bundesversammlung (Bundestag) (Bundestag) und anderer Bundeseinrichtungen. Nach Auflösung des Bundes wird die Freie Stadt 1866 von Preußen annektiert.

 

Geographie/Topographie

Für das Gebiet der Freien Stadt Frankfurt am Main wird 1863 eine Fläche von 1,83 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 106km².Die Stadt Frankfurt liegt auf der rechten Seite des Mains und ist mit der Vorstadt Sachsenhausen durch eine Brücke verbunden. Der Main teilt das gesamte zur Freien Stadt Frankfurt gehörende Gebiet in zwei Teile. Durch einige frankfurtische Orte fließt die Nidda. Die Stadt liegt in einer schmalen Ebene des Maintals zwischen der Wetterau und dem Odenwald. Frankfurt ist gegen die kalten Nord- und Westwinde durch den Taunus, gegen die oft sehr stürmischen Südwinde durch die Ausläufer des Odenwaldes geschützt und hat dadurch ein weitgehend mildes Klima. Die Gebiete um Frankfurt verfügen über einen ungemein humusreichen und dabei frischen Sandboden. Sie sind stark bewaldet.

 

Geschichte bis 1815/20

Um 500 übernahmen die Franken die Herrschaft im Untermaingebiet; an der "Frankenfurt" entsteht vermutlich ein fränkischer Königshof. In einer Urkunde Karls des Großen vom 22. Februar 794 wurde die Pfalz "Franconofurd" erstmals schriftlich erwähnt. Im 11. und 12. Jahrhundert entwickelte sich Frankfurt zum europäischen Handels- und Verkehrsplatz, nicht zuletzt durch die seit 1150 nachweisbare und 1240 privilegierte Herbstmesse, der 1330 die Frühjahrsmesse und 1478 die Buchmesse folgten. 1356 wurde Frankfurt in der Goldenen Bulle als Stätte der deutschen Königswahlen bestätigt und war seit 1562 auch Krönungsort. Im Jahre 1405 erwarb der Rat der reichsunmittelbaren Stadt die Häuser "Zum Römer" und "Zum Goldenen Schwan" und baute sie zum Rathaus um. Im Siebenjährigen Krieg von französischen Truppen besetzt und 1792 erneut eingenommen, verlor Frankfurt 1806 seine Selbständigkeit und wurde dem Fürstprimas des Rheinbundes, Karl Theodor von Dalberg (1744-1817), übereignet. 1810 bis 1813 war Frankfurt Hauptstadt des neugeschaffenen Großherzogtums Frankfurt mit den Départements Frankfurt, Hanau, Aschaffenburg und Fulda. 1811/12 führte Dalberg nicht nur den Code Napoléon, sondern auch das französische Strafgesetzbuch ein und proklamierte die Gleichberechtigung aller Untertanen.
Nach der Niederlage Napoleons in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 verlegte der Freiherr vom und zum Stein (1757-1831) das Zentralverwaltungsdepartement für die ehemals französisch besetzten Gebiete nach Frankfurt. Das Großherzogtum Frankfurt wurde aufgelöst und provisorisch die alte reichsstädtische Verfassung wieder eingeführt. Art. 46 der Wiener Kongressakte vom 9. Juni 1815 machte Frankfurt wieder zur Freien Stadt. Die Besitzungen des Johanniter- und des Deutschherrenordens gingen an Österreich über.

 

Staats- und Regierungsform

Im Jahre 1815 wird Frankfurt gemäß den Beschlüssen des Wiener Kongresses Freie Stadt und Sitz der Deutschen Bundesversammlung, auch Bundestag genannt. Ein Jahr später, am dritten Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig, dem 18. Oktober 1816, beschwören die Frankfurter ihre neue, freistädtische Verfassung, die "Konstitutionsergänzungsakte". Diese stellt weitgehend eine Modifikation der reichsstädtischen Verfassung dar und nimmt die meisten der Dalbergschen Reformen zurück. Die Vorrechte der alten Geschlechter werden zwar abgeschafft, das Bürgerrecht ist nun aber an einen Vermögensnachweis von 5.000 Gulden gebunden, den kaum die Hälfte der 40.000 Einwohner erbringen kann. Die jüdische Bevölkerung wird vom Bürgerrecht wieder ausgeschlossen. Im Zuge der Revolution von 1849/49 wird zwar eine neue Verfassung erarbeitet, aber nicht umgesetzt.
Da Frankfurt sich im Deutschen Krieg 1866 auf die Seite Österreichs gestellt hatte, wird es im Juli 1866 von preußischen Truppen besetzt. Frankfurt wird dem preußischen Staat einverleibt und muss eine hohe Kontribution zahlen. Der letzte Bürgermeister der Freien Stadt Frankfurt, Karl Konstanz Viktor Fellner (1807-1866), begeht daraufhin Selbstmord.

 

Territoriale Aufteilung/Verwaltungsstruktur

Hinsichtlich der Verwaltung teilt sich die Freie Stadt Frankfurt in den Stadtbezirk und den Landbezirk. Der Stadtbezirk wird direkt durch den Senat und die von ihm eingesetzten Behörden und Deputationen verwaltet. Der Landbezirk untersteht dem Landverwaltungsamt, welches als administrative Behörde für die Dörfer Bonames, Bornheim, Dortelweil, Hausen, Niedererlenbach, Niederrad, Niederursel und Oberrad fungiert. Mit der Gemeindeordnung von 1824 führen die Landdorfschaften Gemeindevertretungen mit Schultheiß, Beigeordneten und Gemeinschaftsausschuss ein. Im Vertrag mit Österreich kauft Frankfurt 1842 die Güter der ehemaligen Deutschordenskommende Frankfurt und erhält damit das letzte Viertel Niederrads. Das Ober-Appellationsgericht der vier freien Städte Deutschlands befindet sich in Lübeck.

 

Bevölkerung

Nach der Bundesmatrikel von 1816 zählt das Gebiet der Freien Stadt Frankfurt 47.850 Einwohner. 1864 hat sich die Bevölkerungszahl auf 92.244 verdoppelt. Der Anteil der Landbevölkerung liegt in diesem Zeitraum gleichbleibend bei rund 15%. Die Einwohner des Staatsgebiets sind mit durchschnittlich 77% vornehmlich evangelisch-lutherischen Glaubens. Hinzu kommen an die 15% Katholiken und 6-8% Juden.

 

Wirtschaft

Bodennutzung und Landwirtschaft

Bekannt ist das Frankfurter Umland für den Anbau von Küchengewächsen und Obstbau, insbesondere Äpfel zur Gewinnung von Apfelwein. Der Weinanbau ist eher abnehmend.
Hauptfeldfrüchte im Ackerbau bilden Weizen, Korn, Gerste und Hafer. Nebenbei wird der Anbau von Raps zur Ölgewinnung betrieben. Der Ernährung des großen Milchviehbestands dienen Kleebau und Kartoffelanbau.<7p>

Bergbau

Bergbau wird in Frankfurt und Umgebung nicht betrieben.

Gewerbe und Industrie

In der Freien Stadt gibt es keine bedeutenden Industrieansiedlungen. Die gewerbliche und industrielle Entwicklung läuft an Frankfurt wegen dessen restriktiver Gewerbepolitik vorbei. 1841 weicht der Frankfurter Otto Naumann aufgrund des Einspruches der Seifensieder mit seiner Seifenfabrik nach Offenbach aus. Erst 1864 führt der Senat die Gewerbefreiheit ein.

Handel

Mit der Gründung des Deutschen Zollvereins, dem Aufkommen der Handlungsreisenden und der Industrialisierung sinken die Frankfurter Messen (Frühjahrsmesse, Herbstmesse und Buchmesse) seit etwa 1830 nach und nach zu reinen Jahrmärkten herab. Erst zum Ende des 19. Jahrhunderts kommt es zu einer Wiederbelebung des Messe- und Ausstellungswesens.
Das Bankwesen spielt eine weitaus wichtigere Rolle als Handel und Gewerbe. Frankfurt steigt in freistädtischer Zeit zu einem der führenden europäischen Finanzplätze auf. Die Söhne des 1812 gestorbenen Meyer Amschel Rothschild gründen Filialen in London, Paris, Wien und Neapel. In Frankfurt konkurriert die Familie mit dem Bankhaus Bethmann um die Vorrangstellung. 1854 entsteht mit der Frankfurter Bank die erste Gesellschaftsbank; es folgen die Frankfurter Hypothekenbank 1862, die Bank für Handel und Industrie 1863 und die Frankfurter Vereinkasse 1864.

Währung, Maße, Gewichte

In Frankfurt am Main wird nach Gulden à 60 Kreuzer à 4 Heller gerechnet. Als Längenmaß gelten Frankfurter Fuß und Frankfurter Schuh oder Werkschuh, Flächenmaß ist der Morgen, Gewichtseinheit ist das Pfund; als Zollgewicht wird das in den Zollvereinsstaaten angenommene badische Gewicht verwendet.

 

Verkehr

Eisenbahnen

Die einflussreichen Frankfurter Bankiers sind es auch, die neue technische Entwicklungen fördern und vorantreiben, insbesondere den Bau von Eisenbahnen. 1839 wird als erste Eisenbahn des Rhein-Main-Gebiets das Teilstück der Taunusbahn von Frankfurt nach Höchst eröffnet. 1846 folgt die Main-Neckar-Bahn, 1848 die Bahn Hanau-Würzburg und 1850 die Main-Weser-Bahn. Die Bahnhöfe liegen im Bereich von Taunus- und Gallusanlage. Die Stadt Frankfurt ist Sitz von vier Eisenbahnverwaltungen.

Wasserstraßen

Die Stadt Frankfurt liegt direkt am Main, der um 1850 eine Tragfähigkeit für Binnenschiffe bis zu 200 Tonnen hat.

See- und Binnenhäfen

Frankfurt ist der wichtigste Mainhafen, wo alle stromaufwärts vom Rhein kommenden und zum Obermain gehenden Güter umgeschlagen werden.

 

Kultur und Bildung

In Frankfurt am Main gibt es um 1840 ein Gymnasium und eine Taubstummenanstalt sowie eine jüdische, vier lutherische, drei katholische und mehrere Privatschulen. Vornehmlich auf Basis gemeinnütziger Stiftungen werden zahlreiche Gesellschaften und Vereine gegründet, die noch heute in Frankfurt existieren. So entsteht im Jahre 1816 die "Gesellschaft zur Beförderung nützlicher Künste und deren Hilfswissenschaften", später in "Polytechnische Gesellschaft" umbenannt. 1817 wird, noch auf Anregung des gebürtigen Frankfurters Goethe hin, die "Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft" ins Leben gerufen und 1819 von Freiherr vom Stein die "Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde" begründet. Es folgen 1824 der Physikalische Verein, 1836 der Verein für Geographie, 1837 die Gesellschaft für Frankfurts Geschichte und Kunst sowie 1829 der Kunstverein. Aus der Stiftung des Frankfurter Kaufmanns und Bankiers Johann Friedrich Städel (1728-1816) geht eine der bedeutendsten Gemäldegalerien Deutschlands hervor, der seit 1829 auch eine Kunstschule angeschlossen ist.
Auf Anregung Friedrich Fröbels (1782-1852) stiften Frankfurter Bankiersfamilien um 1840 die ersten Kindergärten zur Förderung der vorschulischen Erziehung. Literarische Zirkel bestehen in den Häusern der Familien Brentano, Günterrode, Passavant, Schlosser und Thomas; von internationaler Bedeutung sind der Historiker Johann Friedrich Böhmer (1795-1863) und der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788-1860), der seit 1831 bis zu seinem Tod 1860 in Frankfurt lebt. 1844 schreibt und zeichnet der Arzt Dr. med. Heinrich Hoffmann (1809-1894) für seinen Sohn das Kinderbuch "Der Struwwelpeter". Im Hörsaal des Physikalischen Vereins stellt der Friedrichsdorfer Lehrer Philipp Reis (1834-1874) 1861 ein Gerät zur Tonübertragung vor, das erste Telefon.

 

Zugehörigkeit zu Staatengemeinschaften, Zollsystemen und Zollvereinen

Bei den Verhandlungen zur Gründung des Deutschen Bundes auf dem Wiener Kongress wird Frankfurt durch Syndikus Dr. jur. Johann Ernst Friedrich Danz (1759-1838) vertreten. 1815 tritt Frankfurt als Freie Stadt dem Deutschen Bund bei und führt im Plenum der Bundesversammlung (Bundestag) (Bundestag) eine eigene Stimme. Im "Engeren Rat" teilt es sich dagegen eine Stimme mit den Städten Lübeck, Hamburg und Bremen. Der Bundestag als oberste Bundesbehörde hat seinen Sitz in Frankfurt am Main, im Palais Thurn und Taxis. Vom 31. März bis 3. April 1848 tritt in Frankfurt ein Vorparlament zusammen, um Grundlagen einer deutschen Parlamentsverfassung zu beraten. Am 18. Mai ziehen Abgeordnete aus ganz Deutschland in die Paulskirche zur Nationalversammlung ein, zum ersten gewählten gesamtdeutschen Parlament, um Deutschland im freiheitlich-demokratischen und nationalen Sinne zu ordnen. Nach dem Scheitern der Nationalversammlung und der Revolution von 1848/49 wird die alte Bundesversammlung (Bundestag) wieder in Frankfurt einberufen. Im Jahre 1828 tritt Frankfurt dem Mitteldeutschen Handelsverein bei. Um einer völligen Einschnürung durch Preußen zu entgehen, schließt sich Frankfurt 1836 nach längerem Zögern dem Deutschen Zollverein an.

 

Territoriale Entwicklung ab 1866/Kulturerbe

Mit dem Besitznahmepatent vom 3. Oktober 1866 wird die Freie Stadt Frankfurt von Preußen annektiert und in den Regierungsbezirk Wiesbaden der späteren preußischen Provinz Hessen-Nassau eingegliedert. Frankfurt am Main ist heute eine kreisfreie Stadt im Bundesland Hessen. Die Fläche des Stadtgebiets umfasst 284,3km². Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich die Zahl der Einwohner bei rund 650.000 eingependelt. 1949 verliert Frankfurt im Wettbewerb mit Bonn die Wahl zur Bundeshauptstadt, entwickelt sich aber in den kommenden Jahren zur internationalen Finanzmetropole. Frankfurt ist Sitz der Deutschen Bundesbank und der Europäischen Zentralbank. Bis heute befindet sich die Frankfurter Stadtverwaltung in dem seit 1405 als Rathaus dienenden "Römer". Im ersten Stock liegt der Kaisersaal, in dem alle 52 Kaiser, die das Heilige Römische Reich von 768 bis 1806 regiert haben, verewigt sind. Die nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaute Paulskirche ist als Traditionsstätte des deutschen Parlamentarismus Symbol für Demokratie und Freiheit; seit 1950 wird hier alljährlich zur Frankfurter Buchmesse der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Das Institut für Stadtgeschichte im ehemaligen Karmeliterkloster bewahrt das historische Erbe der Stadt und beherbergt ein umfangreiches Archiv. Bedeutende Museen in Frankfurt sind u.a. Deutsches Architektur Museum, Deutsches Filmmuseum, Geldmuseum der Deutschen Bundesbank, Goethe-Haus, Historisches Museum, Naturmuseum Senckenberg, Struwwelpeter Museum, Museum für Angewandte Kunst, Schirn Kunsthalle und Städelsches Kunstmuseum.

 

Verwendete Literatur