III Dokmentation und Datensätze

Staaten

Baden (1820-1914)

 

Staatsgebiet

Das Großherzogtum Baden befindet sich in Süddeutschland. Es bildet abgesehen von einigen En- und Exklaven ein geschlossenes Staatsgebiet, das sich bis 1914 nur unwesentlich verändert. Angrenzende Staaten sind im Westen Frankreich und die bayerische Pfalz, im Norden die hessen-darmstädtische Provinz Starkenburg, im Nordosten das Königreich Bayern, im Osten das Königreich Württemberg und Hohenzollern-Sigmaringen sowie im Süden die Schweiz. Die badischen Exklaven Schluchtern, Adelsreuthe und Tepfenhardt befinden sich in Württemberg, Michelbuch liegt in Hessen-Darmstadt, Wangen in Hohenzollern-Sigmaringen und Büsingen in der Schweiz. In badischem Staatsgebiet befinden sich die württembergischen Enklaven Bruderhof, Hohentwiel und Deubach, die hohenzollern-sigmaringischen Enklaven Thalheim, Thiergarten, Igelswies, Tautenbronn und Mühlhausen sowie die hessen-darmstädtischen Enklaven Finkenhof, Helmhof und das Flurstück nördlich Rappenau. Die Kondominate Widdern und Edelfingen werden bis 1846 von Baden und Württemberg gemeinsam verwaltet, das Kondominat Kürnbach bis 1904 gemeinsam mit Hessen-Darmstadt. Hauptstadt und Regierungssitz ist Karlsruhe. Residenzen befinden sich neben Karlsruhe in Mannheim, Baden-Baden und bis 1832 auch in Bruchsal.

 

Geographie/Topographie

Für das Gebiet des Großherzogtums Baden wird 1841 eine Fläche von 280 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 14.959km² (1820). Das Land teilt sich in das südlich gelegene Oberland um Freiburg und das nördlich gelegene Unterland um Karlsruhe. Die Grenze zwischen Ober- und Unterland liegt ungefähr auf Höhe der Kinzig. Baden gehört größtenteils zum süddeutschen Berg- und Hügelland, zum kleineren Teil zur oberrheinischen Tiefebene. Das wichtigste Gebirge ist der Schwarzwald, der zu vier Fünfteln im Oberland liegt. Die höchste Erhebung ist der Feldberg mit 1.493m Höhe. Unmittelbar an den Schwarzwald schließt sich das Neckarhügelland an, das sich bis zum Königstuhl bei Heidelberg fortsetzt und nach Norden zum Odenwald hinführt.
Hauptfluss ist der Rhein, der auf einer Länge von 382km im Westen und Süden zum Großteil die Landesgrenze bildet. Nebenflüsse des Rheins sind Neckar, Murg, Kinzig, Elz und Wiese. Der Main berührt im Nordosten die Grenze und empfängt dort die Tauber. Zudem fließt die Donau mit ihren beiden Quellflüssen Breg und Brigach in Baden.
Wichtigster See ist der an der südöstlichen Grenze gelegene Bodensee mit den Inseln Reichenau und Mainau im badischen Teil. In der Nähe des Bodensees liegen der Mindel- und der Illmensee. Der Schwarzwald enthält eine Anzahl kleinerer Seen, von denen Mummelsee, Feldsee, Titisee und Schluchsee die bekanntesten sind. Fruchtbarstes Gebiet Badens ist die Rheinebene mit ihren Nebentälern. Mehr als ein Drittel des Landes ist bewaldet. Das Klima ist in den Rheintälern mild, in den bewaldeten Gegenden des Odenwalds sowie des Schwarzwalds hingegen eher rau mit oft langen Wintern.

 

Geschichte bis 1815/20

Der Name Baden geht auf die im 3. Jahrhundert zerstörte römische Stadt Aquae Aureliae im Oostal zurück, die 987 unter dem Namen Baden erneut erscheint. Im 12. Jahrhundert etablierte eine Seitenlinie der schwäbischen Zähringer die Markgrafschaft Baden, welche nach deren Stammsitz, Burg Hohenbaden oberhalb von Baden-Baden, benannt ist. 1535 entstanden durch Erbteilung eine obere Markgrafschaft Baden-Baden mit Residenz in der Stadt Baden und 1677 bis 1707 in Rastatt sowie eine untere Markgrafschaft Baden-Durlach mit Residenz in Pforzheim. Ab 1565 war Durlach, und ab 1724 die erst 1715 von Markgraf Karl Wilhelm (1679-1738) gegründete Stadt Karlsruhe Residenzstadt. 1556 führte Markgraf Karl II. (1529-1577) in Baden-Durlach die Reformation ein.
1771 erbte Karl Friedrich von Baden-Durlach (1728-1811), der sein Land zu einem Musterstaat des aufgeklärten Absolutismus gemacht hatte, die katholische Markgrafschaft Baden-Baden. 1796 verlor Baden seine linksrheinischen Gebiete an Frankreich, wird aber zwischen 1802 und 1810 sowohl durch den Reichsdeputationshauptschluss als auch durch enge Anbindung an das napoleonische Frankreich mit der Vervierfachung seines Territoriums von rund 3.900km² auf etwa 15.000km² entschädigt. Durch die hinzugewonnenen zahlreichen kleinen Fürstentümer, geistlichen Gebiete und Reichsstädte, darunter die rechtsrheinische Pfalz mit Heidelberg und Mannheim sowie Vorderösterreich mit Breisgau und Konstanz, bildete Baden erstmals ein zusammenhängendes Territorium. 1803 gelang Karl Friedrich die Erhebung Badens zum Kurfürstentum, und 1806 mit Beitritt zum Rheinbund die Erhebung zum Großherzogtum.
1810 übernahm Baden den Code Napoléon, der in der Form des Badischen Landrechts bis 1899 Gültigkeit behielt. Erst nach Napoleons Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig und der Auflösung des Rheinbundes schloss sich Baden der antinapoleonischen Koalition an, konnte aber trotzdem Souveränität und Besitzstand bewahren.<7p>

 

Staats- und Regierungsform, Herrscherhaus

Das Großherzogtum Baden ist eine Monarchie. Die Großherzöge Karl (reg. 1811-1818) und dessen Onkel Ludwig I. (reg. 1818-1830) stammen aus dem Haus Zähringen. Nach Erlöschen dieser Linie geht die Regierungsgewalt gemäß badischem Hausgesetz von 1817 an die Grafen von Hochberg über, die der zweiten, morganatischen Ehe Karl Friedrichs von Baden (1728-1811) mit Luise Geyer von Geyersberg (1768-1820) entstammen. Dies sind Leopold I. (reg. 1830-1852), dessen geisteskranker Sohn Ludwig II. (reg. 1852-1856), für den sein Bruder Friedrich I. (reg. 1856-1907) bis 1856 die Regentschaft übernimmt, und Friedrich II. (reg. 1907-1918).
Die "Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Baden", die am 22. August 1818 vom Großherzog unterzeichnet wird, gilt als liberalste Verfassung ihrer Zeit im Deutschen Bund. Sie gewährt den Badenern eine Reihe von Grundrechten wie die Gleichheit vor dem Gesetz, die Freiheit der Person sowie Glaubens-, Meinungs-, Presse-, Eigentums- und Berufsfreiheit. Die Verfassung sieht eine in zwei Kammern gegliederte Landesvertretung vor, deren Mitglieder das freie Mandat haben und auf das Gesamtwohl des Landes verpflichtet sind. In der ersten Kammer befinden sich neben den volljährigen Prinzen des Herrscherhauses und den Häuptern der standesherrlichen Familien, Vertreter der evangelischen und der katholischen Kirche, der zwei Universitäten sowie acht gewählte Abgeordnete der Grundherren. In der zweiten Kammer sitzen ausschließlich durch indirektes Zensuswahlrecht ermittelte Vertreter der Städte und Ämter. Der Landtag hat das Mitwirkungsrecht bei der Gesetzgebung. Gemäß dem in der Wiener Schlussakte 1820 festgelegten "monarchischen Prinzip" vereinigt der Großherzog alle Rechte der Staatsgewalt in seiner Hand und unterliegt nur in ihrer Ausübung konstitutionellen Beschränkungen.
Von Beginn an gibt es eine starke Vertretung der Liberalen im Landtag. In der Revolution von 1848/49 kommt es daher erst mit zunehmender Radikalisierung im Mai 1849 zum Sturz des Großherzogs und der Regierung. Nur mit Hilfe von Interventionstruppen Preußens und des Deutschen Bundes kann die Bewegung in einem mehrere Wochen dauernden Feldzug niedergerungen werden. In den 1860er Jahren erringen die Liberalen ihre Landtags- und Regierungsmehrheit wieder und setzen nach und nach Reformen durch. Neben der Trennung von Kirche und Staat und der Judenemanzipation wird Ende der 1860er Jahre das Vereins- und Versammlungsrecht liberalisiert, die Kammern erhalten das Recht der Gesetzesinitiative und ein allgemeines Wahlrecht wird eingeführt. Zur Einführung eines direkten Wahlrechts entschließt sich die Regierung erst im Jahre 1904.

 

Territoriale Aufteilung/Verwaltungsstruktur

Im Jahre 1809 wird die badische Verwaltung nach französischem Vorbild zentralistisch umgestaltet, die zuvor bestehenden Provinzen werden durch Kreise als Mittelinstanzen ersetzt. 1819 bestehen sechs Kreise, die in etwa die Funktion von Regierungsbezirken haben; dies sind der Seekreis mit Sitz in Konstanz, der Dreisamkreis mit Sitz in Freiburg, der Kinzigkreis mit Sitz in Offenburg, der Murg- und Pfinzkreis mit Sitz in Durchlach, der Neckarkreis mit Sitz in Mannheim sowie der Main- und Tauberkreis mit Sitz in Wertheim. Die Hauptstadt Karlsruhe ist direkt dem Innenministerium unterstellt. 1832 werden die bestehenden sechs Kreise sowie der Karlsruher Sonderstatus aufgehoben und Baden in die vier Kreise Seekreis mit Sitz in Konstanz, Oberrheinkreis mit Sitz in Freiburg, Mittelrheinkreis mit Sitz in Rastatt sowie Unterrheinkreis mit Sitz in Mannheim eingeteilt. 1847 wird der Sitz des Mittelrheinkreises von Rastatt nach Karlsruhe verlegt. Im Jahre 1863 werden die Mittelbehörden aufgehoben und die vier Kreisregierungen durch ebenso viele Landeskommissariate als Regionalbehörden ersetzt, welche ausschließlich Aufsichts- und Koordinierungsaufgaben haben. Die vier Landeskommissariate Konstanz, Freiburg, Karlsruhe und Mannheim bleiben bis in die 1930er Jahre bestehen. Die eigentlichen Verwaltungsaufgaben übernehmen die 1864 eingerichteten 59 Bezirksämter.
Die Kondominate Widdern und Edelfingen werden 1846 an das Königreich Württemberg abgetreten. Hessen-Darmstadt überlässt 1904 das Kondominat Kürnbach gänzlich badischer Verwaltung. Im Gegenzug tritt Baden die Exklave Michelsbuch an Hessen-Darmstadt ab. Höchste Gerichtsinstanz ist das Oberhofgericht in Mannheim.

 

Bevölkerung

Das Großherzogtum Baden hat 1818 eine Einwohnerzahl von 1.021.976. Bis 1852 nimmt die Einwohnerzahl um 33% auf 1.361.818 und bis 1900 um weitere 37% auf 1.8867.944 zu und überschreitet im Jahre 1905 die Zweimillionengrenze. Zur Jahrhundertmitte lebt ca. ein Drittel der Bevölkerung in Städten und zwei Drittel auf dem Land. Im Jahre 1900 ist der Anteil der Stadtbewohner auf über 40% angewachsen. 1852 hat die Hauptstadt Karlsruhe 24.299 Einwohner; bis 1900 hat sich die Einwohnerzahl auf 97.185 vervierfacht. Bevölkerungsreichste Stadt ist Mannheim mit 39.821 Einwohnern im Jahre 1852 und 141.131 im Jahre 1900. Zur Jahrhundertmitte, 1852, sind die Einwohner Badens zu 32% evangelisch, zu 66% katholisch und zu rund 2% jüdisch. Im Jahr 1900 hat sich der Anteil der Einwohner evangelischer Glaubensrichtung geringfügig auf 38% erhöht, und steht nun 61% Katholiken gegenüber. Zudem werden 1,5% Juden gezählt.

 

Wirtschaft

Bodennutzung und Landwirtschaft

Bis zur Jahrhundertmitte ist im Großherzogtum Baden die Landwirtschaft Haupterwerbszweig. Herausragend sind Forstwirtschaft und Weinbau. Die Bodennutzung verteilt sich auf 38,5% Ackerland, 0,9% Gärten, 1,4% Weinberge sowie 32,5% Wald. Drei Viertel der Roherträge entfallen auf die Bodenproduktion - davon ein Achtel auf Weinanbau -, ein Viertel auf die Viehzucht. Hinsichtlich des Getreideanbaus steht Dinkel mit Abstand an erster Stelle. Es folgen Roggen und Weizen als Wintergetreide sowie Hafer und Gerste als Sommergetreide. An Gemüse werden vornehmlich Kartoffeln angebaut. In der Viehzucht nimmt die Rinderzucht einen herausragenden Stand ein, gefolgt von der Schafzucht, zumindest in der ersten Jahrhunderthälfte. Der Viehbestand beläuft sich Ende 1900 auf 75.600 Pferde, 651.700 Rinder, 68.500 Schafe, 498.000 Schweine, 109.600 Ziegen, 108.000 Bienenstöcke und 1.888.300 Hühner.

Bergbau

Im Bergbau ist der Mangel an Rohstoffen für die Montanindustrie kennzeichnend. Im Schwarzwald finden sich Eisenerz und Steinkohle, Braunkohlevorkommen gibt es keine. Die Eisenerz-Förderung liegt 1850 bei 7.320, steigert sich bis 1861 auf 15.753t und wird 1870 bei einer Fördermenge von nur noch 90t eingestellt. Die Steinkohleförderung hat ihren höchsten Wert 1860 mit 22.205t pro Jahr. Danach nimmt die Fördermenge stetig ab, bis der Förderbetrieb 1910, bei einer Fördermenge von nur noch 1.659t, eingestellt wird.
Nach erfolgreichen Bohrungen in den Staatssalinen von Bad Dürrheim und Bad Rappenau in den Jahren 1822/1823 wird Salz über den Eigenbedarf hinaus erzeugt.
Vorzügliches Bau- und Straßenmaterial liefern die Stein-, Kalk- und Gipsbrüche im Schwarzwald. Besonders reich ist Baden an Mineralbädern und Heilquellen. Die wichtigsten sind die weltbekannten Thermen von Baden-Baden und Badenweiler.

Gewerbe und Industrie

Erst 1862 wird im ansonsten liberalen Großherzogtum Baden die Gewerbefreiheit eingeführt. Auch die Industrialisierung setzt erst in der zweiten Jahrhunderthälfte ein. In den 1860er Jahren entstehen mit der Zuckerfabrik in Waghäusel, der Maschinenfabrik in Karlsruhe, der Lanz'schen Produktion von landwirtschaftlichen Geräten in Mannheim und der Spinnerei Ettlingen die ersten Großbetriebe.
Zwischen 1850 und 1858 erhöht sich die Zahl der Fabriken in Baden um 40%, allein in Mannheim finden sich 20 Tabakfabriken. Die Zigarren- und Tabakfabrikation entwickelt sich in der zweiten Jahrhunderthälfte zum bedeutendsten Industriezweig des Landes, der vornehmlich in der Pfalz und der unteren Rheinebene zu finden ist und im Jahre 1901 über 770 Fabrikbetriebe verfügt. Danach folgt an Umfang die Textilindustrie mit dem Hauptsitz im Wiesental und im oberen Rheintal sowie der Maschinenbau in Karlsruhe und Mannheim. Die Hüttenwerke im badischen Oberland erbringen Anfang der 1850er Jahre nur wenig mehr als 6.000t Roheisen. Die Stahlproduktionsquote liegt 1850 bei 2.754t und steigert sich bis 1902 auf 13.715t pro Jahr.

Handel

In der ersten Jahrhunderthälfte sind Getreide und Vieh die wichtigsten Exportgüter.
Haupthandelsplatz Badens und zugleich ganz Süddeutschlands ist Mannheim. Bereits seit den 1830er Jahren entwickelt sich die Stadt mit starker jüdischer Beteiligung zum Zentrum des südwestdeutschen Getreidehandels. Mit dem beginnenden Eisenbahnbau werden Eisen und Eisenwaren die wichtigsten Importgüter. Schwerpunkte des Exports liegen in der zweiten Jahrhunderthälfte neben den landwirtschaftlichen Produkten und dem badischen Wein, in den wichtigsten Industrieprodukten, namentlich Tabak und Zigarren sowie Textilien und Maschinen.

Währung, Maße, Gewichte

In Baden wird nach Gulden zu 60 Kreuzer à 240 Pfennige gerechnet.
Die Maße und Gewichte sind im Großherzogtum Baden seit 1810 vereinheitlicht. Als Längenmaß gilt die Elle, Flächenmaß ist der Badische Morgen, Hohlmaß der Fuder und Gewichtseinheit der Malter.

 

Verkehr

Kunststraßen/Chausseen

Für Bau und Unterhalt der Straßen werden im Großherzogtum Baden mit der Chausseeordnung vom 7. Mai 1810 vereinheitlichende Rahmenrichtlinien festgelegt, nach denen die Straßen in mehrere Kategorien eingeteilt und die Unterhaltskosten dem Staat oder den Gemeinden bzw. Gemeindegruppen zugewiesen werden. Um 1830 verfügt Baden über rund 2.300km Staatsstraßen, bis 1900 ist das Chausseenetz auf 10.570km unter Staatsverwaltung angewachsen.

Eisenbahnen

Mit dem badischen Eisenbahngesetz vom 29. März 1838 entschließt sich das Großherzogtum Baden, den Eisenbahnbau auf Staatskosten zügig voranzutreiben. 1840 ist mit der Linie Mannheim-Heidelberg die erste Eisenbahnverbindung fertiggestellt. Begünstigt durch die optimalen Baubedingungen in der oberrheinischen Tiefebene ist bis 1847 eine große Nord-Süd-Verbindung, die Strecke Mannheim-Heidelberg-Karlsruhe-Baden-Baden-Freiburg-Schliengen, hergestellt. Sie hat als Besonderheit die Verwendung einer breiten Spurweite von 1,6 m. Erst 1854 wird diese und die übrigen badischen Strecken auf "Regelspur" (1,435 m) umgebaut. Um 1850 umfasst das Streckennetz 276km, Ende 1900 sind es 2.056km Eisenbahnstrecke, darunter 1.807km normalspurig und 249km schmalspurig.

Wasserstraßen

Die schiffbaren Flüsse des Großherzogtums sind Rhein, Main und Neckar. Der Rhein ist 1850 erst ab Mannheim nutzbar, wo er Schiffe mit einer Tragfähigkeit bis zu 400t befördern kann. Nach Fertigstellung der von dem badischen Ingenieur Johann Gottfried Tulla (1770-1828) im Jahre 1818 begonnenen und 1872 in Zusammenarbeit mit Frankreich und Bayern fertiggestellten Korrektionen des Oberrheins verbessert sich die Rheinschifffahrt erheblich. 1874 ist die Strecke Mannheim-Karlsruhe bereits für Schiffe bis 600t befahrbar und 1903 ist die gesamte Strecke von Mannheim bis Kehl für Schiffe mit einer Tragfähigkeit bis zu 3.000t ausgebaut. Der Main befördert auf badischem Staatsgebiet 1850 bis 1892 Schiffe mit einer Tragfähigkeit bis zu 200t, ab 1893 bis zu 400t.Der Neckar kann 1850 lediglich Schiffe bis 100t Tragfähigkeit befördern, wird aber in der Folge weiter ausgebaut: 1874 befördert er auf der Strecke Mannheim-Heilbronn Schiffe mit einer Tragfähigkeit bis zu 200t, 1893 bereits bis zu 400t. Die Bodenseeschifffahrt wird bis 1903 für Schiffe mit einer Tragfähigkeit bis zu 400t ausgebaut.

See- und Binnenhäfen

Der bedeutendste Hafen des Großherzogtums und des gesamten süddeutschen Raumes ist der Mannheimer Hafen, der seit 1828 Freihafen für den Rhein und seit 1831 auch Freihafen für den Neckar ist. Entscheidend für die Entwicklung zum zweitgrößten europäischen Binnenhafen nach Duisburg-Ruhrort ist die Verbindung von Schifffahrts- und Schienenwegen in Mannheim. Im Jahre 1840 wird sowohl die neue Bahnstrecke Mannheim-Heidelberg, als auch der neue Rheinhafen fertiggestellt. Weitere badische Rheinhäfen sind Rheinau, Leopoldshafen, Karlsruhe und Kehl. Bedeutendster badischer Mainhafen ist Wertheim, wichtigster Neckarhafen Mannheim. Am Bodensee wird 1826 Ludwigshafen gegründet und der Konstanzer Hafen sukzessive ausgebaut.

 

Kultur und Bildung

Geistige Zentren Badens sind die Universitäten Heidelberg und Freiburg, die im Zuge der Gebietserweiterungen 1803 bzw. 1805 in den Besitz des Großherzogtums gelangen. Die 1386 gegründete alte pfälzische Universität Heidelberg mit protestantischer Fakultät genießt einen hohen wissenschaftlichen Ruf, der insbesondere Studenten der Rechtswissenschaften aus allen deutschen Landesteilen anzieht. Die 1457 gestiftete alte vorderösterreichische Universität in Freiburg mit katholischer Fakultät hingegen dient zumindest in der ersten Jahrhunderthälfte primär als Landesuniversität. An der Universität Freiburg lehren die Staatsrechtler Karl von Rotteck (1775-1840) und Karl Theodor Welcker (1790-1869), die ab 1835 das "Staatslexikon" herausgeben, das "die Grundsätze, die Richtungen der constitutionellen Monarchie als der nach unseren historischen Verhältnissen vollkommensten Form des Staatslebens" darstellen und aussprechen soll, was "die mit dem Namen der liberalen oder constitutionellen bezeichnete Partei eigentlich will."
Das 1825 gegründete Karlsruher Polytechnikum ist, wenn man von kurz zuvor erfolgten österreichischen Hochschulgründungen absieht, die älteste Technische Hochschule Deutschlands. Das gesamte Unterrichts- und Schulwesen in Baden steht seit 1862 unter staatlicher Aufsicht. Um 1900 bestehen rund 20 Gymnasien, 24 Ober- und Realschulen, zehn höhere Bürgerschulen, sieben höhere Mädchenschulen sowie 1.583 einfache und erweiterte Volksschulen.
Die Zentren badischen Bühnenlebens sind Karlsruhe mit dem 1808 gegründeten Großherzoglichen Hoftheater sowie Mannheim mit dem Nationaltheater, an welchen 1782 Schillers "Räuber" in Anwesenheit des Dichters uraufgeführt wurden. 1839 geht das Nationaltheater in städtische Verwaltung über und ist damit das erste kommunal verwaltete Theater Deutschlands. Die Großherzoglichen Kunstsammlungen in Karlsruhe und Mannheim sind der Öffentlichkeit zugänglich. Die Karlsruher Bestände werden seit 1845 in der neu erbauten Kunsthalle in großzügigem Rahmen präsentiert. Die 1854 ins Leben gerufene Karlsruher Kunstschule entwickelt sich schnell zum künstlerischen Mittelpunkt des Landes.

 

Zugehörigkeit zu Staatengemeinschaften, Zollsystemen und Zollvereinen

Bei den Verhandlungen zur Gründung des Deutschen Bundes auf dem Wiener Kongress wird das Großherzogtum Baden von Wilhelm Ludwig Leopold Reinhard Freiherr von Berstett (1769-1837) vertreten. Aufgrund von Vorbehalten gegenüber der endgültigen Fassung der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 tritt Baden erst verspätet, am 26. Juli 1815, dem Deutschen Bund bei. Im Plenum der Bundesversammlung (Bundestag) führt Baden drei Stimmen, im "Engeren Rat" eine eigene Stimme. Im Jahre 1831 schließt sich Baden für die Exklave Schluchtern und die Kondominate Widdern und Edelfingen dem württembergischen Zollsystem und damit dem Süddeutschen Zollverein an. 1836 wird das gesamte Großherzogtum Mitglied des Deutschen Zollvereins.
Im Deutschen Krieg 1866 zunächst auf österreichischer Seite kämpfend, bemüht sich Baden nach der Niederlage in der Schlacht bei Königgrätz vergeblich um den Anschluss an den Norddeutschen Bund. Mit seiner die Reichsgründung uneingeschränkt stützenden Politik unterscheidet sich Baden fortan von allen anderen süddeutschen Staaten und meldet dementsprechend bei den Verhandlungen zur Gründung des Deutschen Reiches 1870 keine Sonderwünsche an. 1871 wird das Großherzogtum Bundesstaat des Deutschen Reichs. Im Bundesrat hat Baden drei Stimmen und entsendet 14 Abgeordnete in den Reichstag.

 

Territoriale Entwicklung ab 1914/Kulturerbe

Am 22. November 1918 erklärt Großherzog Friedrich II. (1857-1928) für sich und seine Nachkommen den Thronverzicht. Baden wird Republik, gibt sich am 21. März 1919 eine demokratische Verfassung und nennt sich "Freistaat Baden". 1933 bis 1945 übernimmt ein nationalsozialistischer Reichskommissar die Regierungsgeschäfte. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wird Baden zunächst geteilt. Das amerikanisch besetzte Nordbaden wird Teil des Landes Württemberg-Baden mit der Hauptstadt Stuttgart, das französisch besetzte Südbaden wird zum Land Baden mit Freiburg als Hauptstadt. Nach der Volksabstimmung vom 19. Dezember 1951 schließen sich die Länder Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern am 25. April 1952 zum Bundesland Baden-Württemberg zusammen. Südbadische Gegner des Zusammenschlusses erwirken 1970 beim Bundesverfassungsgericht eine erneute Volksabstimmung, die allerdings mit rund 82% für den Fortbestand des Bundeslandes ausfällt. Das ehemalige badische Unterland bildet heute in etwa den Regierungsbezirk Karlsruhe, das ehemalige Oberland den Regierungsbezirk Freiburg.
Seit 1950 ist Karlsruhe Sitz des Bundesgerichtshofs und seit 1951 auch des Bundesverfassungsgerichts. Das Badische Landesmuseum im Karlsruher Schloss widmet sich der badischen Landesgeschichte und präsentiert in wechselnden Sonderausstellungen verschiedenste kulturhistorische Themen. Das ehemalige fürstbischöfliche Schloss Bruchsal ist heute als Museum öffentlich zugänglich. Das Mannheimer Schloss ist während des Zweiten Weltkrieges fast gänzlich zerstört worden. 1947 wird die Entscheidung getroffen, den Außenbau des Schlosses mit Ausnahme des Daches nach dem historischen Vorbild wieder aufzubauen. Heute befinden sich im Schloss das Finanzamt, das Landgericht, die Wirtschaftsschule und Teile der Universität. Das ehemalige Baden-Badener Residenzschloss wird derzeit zu einem Luxushotel umgebaut.
Die frühere Klosterinsel Reichenau im Bodensee zählt als "Kulturlandschaft, die ein herausragendes Zeugnis von der religiösen und kulturellen Rolle eines großen Benediktinerklosters im Mittelalter ablegt" seit Dezember 2000 zum Weltkulturerbe der UNESCO.

 

Verwendete Literatur