III Dokmentation und Datensätze

Staaten

Anhalt-Köthen (1820-1853)

 

Staatsgebiet

Das Herzogtum Anhalt-Köthen befindet sich in Mitteldeutschland. Es verteilt sich auf 4 Gebietsteile: Roßlau, Köthen, Warmsdorf und die Exklave Dornburg. An den äußeren Grenzen liegen das Königreich Preußen und die Gebietsteile von Anhalt-Dessau und Anhalt-Bernburg. Im Köthenschen Staatsgebiet befinden sich die preußischen Enklaven Repau und Pösigk. Zudem verfügt Anhalt-Köthen mit "Askania Nova" über eine Besitzung im südlichen Russland und in Schlesien über das Fürstentum Pleß. Hauptstadt und Sitz des Hofes ist Köthen. Nach dem Tod des letzten Herzogs von Anhalt-Köthen, Heinrich (1778-1747) am 23. November 1847 wird das Land zunächst unter die gemeinsame Verwaltung von Anhalt-Dessau und Anhalt-Bernburg gestellt und 1853 mit Anhalt-Dessau zum Herzogtum Anhalt-Dessau-Köthen vereinigt.

 

Geographie/Topographie

Für das Herzogtum Anhalt-Köthen wird 1815 eine Fläche von 15 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 732km². Das Land liegt an den Flüssen Elbe, Saale, Wipper, Fuhne und Nuthe; Seen gibt es keine. "Die Verschiedenheit des Bodens in den Landen diesseits und jenseits der Elbe ist so groß, als sie in Anhalt irgend sein kann; zwar ist das ganze Herzogtum eben und nur hier und da erheben sich einzelne Anhöhen etwas mehr über den Spiegel der benachbarten Flüsse, aber während der Köthensche Boden wegen seiner Ergiebigkeit fast sprichwörtlich geworden ist, bietet das Zerbster Land nur alle Abstufungen von lehmigem, gemischtem und sandigem Boden bis zum toten Sande dar." (H. Lindner)

 

Geschichte bis 1815/20

Die Linie Anhalt-Köthen, welche nach dem 1115 erstmals erwähnten slawischen Ort Köthen benannt ist, entstand 1252 aus dem Hause Anhalt. In den Jahren 1307 bis 131919 erwarb sie die Herrschaft Zerbst von den Grafen von Arnstein-Barby. 1396 zerfiel sie in die Siegmundische Linie mit Zerbst und die Albrechtsche Linie mit Köthen. Bei der Erbteilung im Hause Anhalt 1603 erhielt Ludwig (1579-1650), der jüngste Sohn Joachim Ernsts (1536-1586), Köthen als Residenz. Hierher verlegte er 1629 die "Fruchtbringende Gesellschaft". Als mit seinem Sohn Wilhelm Ludwig (1631-1770) sein Haus erlosch, fiel das Land an die ebenfalls 1603 begründete Linie Plötzkau, die sich seitdem nach Köthen nannte. Bei diesem Erbfall wurde vereinbart, dass künftig die Territorien aussterbender Linien unter die übrigen verteilt werden sollten. August Christian Friedrich (1769-1812) erbte infolgedessen 1793 den mittleren Teil von Anhalt-Zerbst um Roßlau. Am 18. April 1807 trat er dem Rheinbund bei und nahm am 22. Juni 1807 den Herzogstitel an. Als Verehrer Napoleons führte er 1810 den Code Napoléon als Gesetzbuch ein und erließ 1811 eine - nach seinem Tod 1812 allerdings wieder abgeschaffte - Verfassung nach französischem Vorbild.

 

Staats- und Regierungsform, Herrscherhaus

Das Herzogtum Anhalt-Köthen ist eine Monarchie. Nach dem frühen Tod des letzten Herzogs von Anhalt-Köthen, Ludwig (reg. 1812-1818), der zunächst unter Vormundschaft von Leopold III. von Anhalt-Dessau (1740-1817) stand, fällt die Regierung Köthens an die Nebenlinie Anhalt-Köthen-Pleß: Friedrich Ferdinand (reg. 1818-1830) und seinen Bruder Heinrich (reg. 1830-1847), die beide ohne Erben bleiben. Die Stadt Köthen ist in den 1840er Jahren als Sammelpunkt der demokratisch-liberalen "Kellergesellschaft" das Zentrum der politischen Opposition in Anhalt. Sie richtet sich besonders gegen die seit 1825 katholischen Landesherren, die hochverschuldet sind. Nach Heinrichs Tod am 23. November 1847 kommt Anhalt-Köthen unter gemeinsame Verwaltung von Anhalt-Bernburg und Anhalt-Dessau, wobei der Herzog von Anhalt-Dessau das Land im Namen des Herzogs von Anhalt-Bernburg mitregiert. Dies ist die Voraussetzung für die Vereinigung Köthens mit Dessau 1853 zum Herzogtum Anhalt-Dessau-Köthen, nachdem sich bereits im Juli 1848 ein Gesamtlandtag für die gemeinsame Verfassungs- und Gesetzgebung konstituiert hatte.

 

Territoriale Aufteilung/Verwaltungsstruktur

Das Herzogtum Anhalt-Köthen verfügt nicht über Mittelbehörden. Die nach französischem Vorbild gestaltete Departement-Gliederung des Jahres 1811 wird mit Erlass vom 24. Oktober 1812 wieder aufgehoben und die Justiz-, Verwaltungs- und Finanzbehörden neu geregelt. Es erfolgt die Gliederung in sieben Justizämter, die bis 1849 bestehen bleibt: Stadtgericht Köthen, Justizamt Köthen, Justizamt Reinsdorf und Justizamt Wulfen, alle mit Sitz in Köthen sowie die Justizämter Nienburg, Warmsdorf und Roßlau.
Herzog Heinrich (1778-1847) verkauft das schlesische Fürstentum Pleß 1846 an die Grafen von Hochberg-Fürstenstein. Mit den anderen anhaltischen sowie mit den schwarzburgischen Staaten ist die Anhalt-Köthener Justiz seit 1817 dem Zerbster Ober-Appellationsgericht unterstellt. Ab 1849 ist das Ober-Appellationsgericht in Jena höchste Gerichtsinstanz.

 

Bevölkerung

Nach der Bundesmatrikel von 1816 hat Anhalt-Köthen 32.454 Einwohner. 1846 ist die Bevölkerung um ca. 20% auf 38.940 Einwohner angestiegen. Fast zwei Drittel der Bevölkerung Anhalt-Köthens leben auf dem Land. 1852 hat die Hauptstadt Köthen 6.300 Einwohner. Die Konfessionszugehörigkeit ist vor 1847 nicht zu ermitteln.

 

Wirtschaft

Bodennutzung und Landwirtschaft

Im Herzogtum Anhalt-Köthen steht die Landwirtschaft im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Produktion und hier vor allem der Obstanbau - berühmt sind die Borsdorfer Äpfel - und die Viehzucht, vornehmlich Rinder und Schafe. Der Viehbestand liegt 1831 bei 3.492 Pferden, 11.138 Rindern und 95.681 Schafen.

Bergbau

Auf dem linken Elbufer finden sich Sand-, Kalk- und Gipssteinbrüche sowie Braunkohlevorkommen und an der Fuhne auch Torf.

Gewerbe und Industrie

Im Jahre 1833 finden sich in Köthen eine Garnspinnerei, eine Lohgerberei, eine Leimsiederei und eine Wachsbleiche. In Roßlau ist eine Papiermühle angesiedelt, in Zerbst wird Bitterbier gebraut. 1837 werden bei Roßlau, 1851 bei Köthen Zuckerfabriken gegründet.

Handel

Der Handel ist 1830 relativ unbedeutend, und legt den Schwerpunkt auf Landeserzeugnisse, besonders Getreide und Wolle. Durch den 1840 einsetzenden Eisenbahnverkehr wird er wesentlich gefördert.

Währung, Maße, Gewichte

In Anhalt-Köthen rechnet man nach Reichstalern à 24 Gramm à 12 Pfennig im Wert des preußischen Courant. Am 19. Januar 1840 tritt das Herzogtum dem deutschen Münzverein bei. Es gelten die preußischen Maße und Gewichte.

 

Verkehr

Eisenbahnen

Ab 1840 werden die ersten Eisenbahnlinien durch anhaltisches Gebiet gelegt: Die 1840 eröffnete Magdeburg-Köthen-Halle-Leipziger Eisenbahn und die 1841 vollständig fertiggestellte Berlin-Anhalter Bahn, die ihren Abschluss in Köthen und damit den Anschluss an die erstgenannte Linie in Köthen erhält. Am 10. September 1846 wird die Bahnlinie Bernburg-Köthen eröffnet. Täglich verbinden mindestens drei Personenzüge und ein Güterzug auf der Hin- und Rückfahrt die Städte Dessau, Köthen und Bernburg und vermittelten den Verkehr nach Berlin und über Köthen nach Magdeburg, Halle und Leipzig, also den Anschluss an die für Anhalt wichtigsten Städte Nord- und Mitteldeutschlands.

Wasserstraßen

Der Zerbster Landesteil Köthens liegt an der Elbe, welche um 1850 Binnenschiffe mit einer Tragfähigkeit von maximal 399t befördern kann.

See- und Binnenhäfen

Die wichtigsten Handelshäfen Anhalt-Köthens sind Nienburg an der Saale und Roßlau an der Elbe.

 

Kultur und Bildung

Überregionale Bedeutung erhält Anhalt-Köthen als Sitz eines neuen Heilverfahrens, der Homöopathie: Im Jahre 1821 erhält der Begründer der Homöopathie, Dr. Samuel Hahnemann (1755-1843) aus Meißen, die Erlaubnis, sich in Köthen niederzulassen und wirkt dort bis 1835. 1835 bis 1855 wirkt der später nach Dessau berufene Hofkapellmeister Eduard Thiele (1812-1895) in Köthen und gründet 1838 eine Musikschule.

 

Zugehörigkeit zu Staatengemeinschaften, Zollsystemen und Zollvereinen

Bei den Verhandlungen zur Gründung des Deutschen Bundes auf dem Wiener Kongress werden alle drei anhaltischen Herzogtümer von dem Regierungspräsidenten von Anhalt-Dessau, Wolff Carl August von Wolfframsdorf (1769-1831) vertreten. Seit 1815 ist das Herzogtum Mitglied des Deutschen Bundes und führt im Plenum der Bundesversammlung (Bundestag) eine eigene Stimme. Im "Engeren Rat" teilt es sich dagegen eine Stimme mit den Herzogtümern Anhalt-Dessau und Anhalt-Bernburg, dem Großherzogtum Oldenburg sowie den Fürstentümern Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen. Nach dem Scheitern des seit 1818 unter anderem um die Durchsetzung der Schifffahrtsfreiheit auf der Elbe geführten Zollkriegs mit Preußen tritt Anhalt-Köthen 1828 dem preußischen Zollsystem bei und gehört damit auch dem Preußisch-Hessischen Zollverein sowie 1834 dem Deutschen Zollvereinan.

 

Territoriale Entwicklung ab 1853/Kulturerbe

Im Jahre 1853 wird Anhalt-Köthen mit Anhalt-Dessau zum Herzogtum Anhalt-Dessau-Köthen vereinigt. Heute ist Köthen ein 480km² großer Landkreis des Bundeslandes Sachsen-Anhalt. Im Köthener Schloß sind eine Bachgedenkstätte und eine Ausstellung zur Geschichte der Homöopathie in Köthen eingerichtet. Im so genannten Ferdinandbau des Schlosses befindet sich das einzige im Original erhaltene vogelkundliche Museum der Biedermeierzeit.

Verwendete Literatur