III Dokumentation und Datensätze

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Sonstige Gebiete

 

Elsaß-Lothringen (1871-1914)

 

Gebiet

Das Reichsland Elsaß-Lothringen umfasst die Gebiete, die von Frankreich nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 im Frieden von Frankfurt (10. Mai 1871) an das Deutsche Reich abgetreten werden mussten. Elsaß-Lothringen ist als so genanntes Reichsland direkt dem Kaiser unterstellt. Verwaltungsmäßig hat es zwar den Charakter einer Provinz, im HGIS Germany wird es aber in der Staatenliste geführt. Elsaß-Lothringen liegt im Südwesten des Deutschen Reichs. Es grenzt im Norden an das Großherzogtum Luxemburg, die preußische Rheinprovinz und die bayerische Pfalz, im Osten befindet sich das Großherzogtum Baden, im Süden die Schweiz und im Westen Frankreich. Hauptstadt und Sitz des kaiserlichen Statthalters ist Straßburg.

 

Geographie/Topographie

Für Elsaß-Lothringen wird 1871 eine Fläche von 264 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 14.554km².Das Land teilt sich in eine bergige, eine hügelige und eine ebene Region. Die ebene Region verläuft vom Rhein bis an die Vogesen und bildet einen Teil der Oberrheinischen Tiefebene. Sie erstreckt sich in südlicher Richtung bis Mülhausen, wo die letzten Ausläufer des Jura enden. Im Norden nähern sich die Vorhügel des Gebirges dreimal dem Rhein, bei Straßburg, Bischweiler und Selz. Die Hügelregion liegt im Nordwesten des Landes, umfasst die Platte von Lothringen und wird durch Saar, Nied und Mosel gegliedert. In der Mitte liegen in einer Ebene zahlreiche große Weiher. Die bergige Region umfasst die Vogesen, die zentral in der Mitte des Elsass liegen sowie das Hardtgebirge im Nordosten und Ausläufer des Jura im Süden. Höchste Erhebung ist der 1.423m hohe Sulzer Belchen in den Vogesen. Rund 30% des Landes sind bewaldet. Hauptflüsse von Elsaß-Lothringen sind Rhein und Ill östlich der Vogesen sowie Mosel und Saar im Westen der Vogesen. Der Rhein bildet die gesamte östliche Grenze zum Großherzogtum Baden. Das Klima ist in den Rheintälern und der Lothringer Platte mild, in den Gebirgsgegenden hingegen eher rau.

 

Geschichte und Verwaltungsentwicklung

Nach der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 muss Frankreich im Frankfurter Frieden vom 10. Mai 1871 das Elsaß, bestehend aus den Départements Bas-Rhin und Haut-Rhin mit Ausnahme Belforts, sowie Teile Lothringens, namentlich die Départements Meurthe und Moselle mit der Stadt Metz, an das Deutsche Reich abtreten. Mit dem Reichsgesetz vom 9. Juni 1871 werden die abgetretenen Gebiete als neu geschaffenes Reichsland Elsaß-Lothringen mit dem Deutschen Reich vereinigt. Die Staatsgewalt liegt direkt beim Deutschen Kaiser, der zum 1. Oktober 1879 einen Kaiserlichen Statthalter als Vertreter einsetzt. Elsaß-Lothringen verfügt zunächst nicht über eine Stimme im Bundesrat. Die deutsche Verfassung tritt am 1. Januar 1874 in Elsaß-Lothringen in Kraft. Gemäß dem Gesetz über die Verwaltung vom 30. Dezember 1871 teilt sich Elsaß-Lothringen in die drei Regierungsbezirke Oberelsaß, Unterelsaß und Lothringen, die bis 1918 bestehen bleiben. Mit dem Gesetz über die Verfassung des Reichslandes Elsaß-Lothringen vom 31. Mai 1911 erhält Elsaß-Lothringen die Bezeichnung Bundesstaat und ist künftig mit drei Stimmen im Bundesrat vertreten. Die Staatsgewalt liegt weiter beim deutschen Kaiser.

 

Bevölkerung/Wirtschaft/Verkehr

Im Jahr 1871 liegt die Einwohnerzahl Elsaß-Lothringens bei 1.549.738. Bis 1905 steigert sie sich um 17% auf 1.814.564.

Elsaß-Lothringen gehört zu den wirtschaftlich am besten entwickelten Regionen des Deutschen Reichs. 64% des Landes werden landwirtschaftlich genutzt. Die besten Ackerbaugebiete bieten die Rheinebene und das Sundgauer Hügelland. Der Schwerpunkt liegt auf Getreide- insbesondere Weizenanbau. Gemüse wird vornehmlich bei Straßburg und Metz angebaut, bedeutende Spargelkulturen finden sich bei Horburg im Oberelsaß. Hopfen wird vornehnmlich im Unterelsaß bei Hagenau, Weißenburg und im Straßburger Land angebaut. Von hoher wirtschaftlicher Bedeutung ist der Weinbau, der vornehmlich im Elsaß in den Vorhügeln der Vogesen bei Colmar, Rappoltsweiler und Schlettstadt sowie in Lothringen an Seille und Mosel betrieben wird. Der Viehbestand beläuft sich Ende 1900 auf 142.800 Pferde, 501.900 Rinder, 83.000 Schafe, 441.100 Schweine und 60.800 Ziegen.
Elsaß-Lothringen ist sehr reich an Bodenschätzen, insbesondere Eisenerze, Steinkohlen und Salz, die sich fast ausschließlich in Lothringen befinden. Die Eisenerze finden sich in den Bergrevieren Diedenhofen und Metz im Juragebirge auf dem linken Moselufer. Der Bergbau in dieser Gegend reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Die Förderquote von Eisenerz beläuft sich 1872 auf 684.600t und steigert sich bis 1913 auf den 30fachen Wert von 21.136.265t.Steinkohlen finden sich vornehmlich im Bergrevier Saargemünd. Die Förderquote liegt 1872 bei 290.206t und steigert sich bis 1913 auf den 13fachen Wert von 3.795.932t.
Steinsalz- und Solquellenbergwerke gibt es im Gebiet der Seille und der Saar. Allein im Kreis Château-Salins liegen 1904 neun Salinen. Etwas mehr als die Hälfte der geförderten Eisenerze wird im Land selbst verhüttet. Im Jahre 1902 sind 39 Hochöfen im Kreise Diedenhofen-West und im Landkreis Metz in Betrieb. Die Roheisenverarbeitung hat 1872 eine Quote von 222.070t und erreicht 1913 den 15fachen Wert von 3.522.845t. In der Stahlverarbeitung liegt die Quote 1872 bei 146.792t und verzehnfacht sich bis 1911 auf 1.365.123t. Hervorragende Bedeutung hat zudem die Textilindustrie, die ihren Hauptsitz im Oberelsaß, namentlich in Mülhausen, in Colmar und den Tälern der Vogesen hat.

Elsaß-Lothringen ist verkehrstechnisch gut erschlossen. Die Bezirkshauptstädte sind untereinander vernetzt sowie mit Basel und Nancy sowie mit Saarbrücken und Freiburg durch Chausseen verbunden. Mit dem Eisenbahnbau wurde im Gebiet Elsaß-Lothringens früh begonnen: Die in französischer Zeit gebauten Eisenbahnlinien Mülhausen-Thann und Straßburg-Basel, die 1839 bzw. 1841 eröffneten, gehörten zu den ersten Bahnverbindungen Kontinentaleuropas. In den 1850er Jahren folgte die Anbindung von Straßburg, Metz und Mülhausen an Paris sowie mit Straßburg-Kehl, Metz-Saarbrücken und Metz-Luxemburg zu den Staaten des Deutschen Zollvereins. Im Jahre 1904 beläuft sich die Streckenlänge des Elsaß-Lothringer Eisenbahnnetzes auf 1.600km. Die wichtigsten schiffbaren natürlichen Wasserstraßen sind Rhein, Mosel und Saar, die bedeutendsten Kanäle Rhein-Rhône-Kanal, Rhein-Marne-Kanal, Saarkanal, Breuschkanal und Hüninger Kanal. Die wichtigsten Binnenhäfen befinden sich in Metz, Straßburg und Mülhausen.

 

Kultur und Bildung

Die seit 1621 bestehende Straßburger Universität wird - um der Abwanderung der Bildungseliten nach Frankreich zu begegnen - zum 1. Mai 1872 als Kaiser-Wilhelms-Universität neu gegründet und entwickelt sich zu einer der bedeutendsten Universitäten des Deutschen Reichs. Gleichzeitig wird als Ersatz für die im Deutsch-Französischen Krieg 1870 zerstörte Straßburger Stadtbibliothek eine Universitäts- und Landesbibliothek eingerichtet, die Dank umfangreicher Buchspenden aus dem In- und Ausland bis heute eine der größten und bestbestückten deutschsprachigen Bibliotheken ist. Weitere Bildungseinrichtungen sind die Bergbauschule in Diedenhofen, die landwirtschaftliche Versuchsstation sowie das Weinbauinstitut in Colmar und die Technische Schule in Straßburg. Daneben gibt es Maschinenbauvorschulen in Mülhausen und Thann, eine mit staatlicher Unterstützung von der Industriellen Gesellschaft zu Mülhausen unterhaltene Chemieschule sowie - ebenfalls in Mülhausen - eine Spinn- und Webeschule und eine städtische Kunstgewerbeschule in Straßburg. Zudem bestehen 1903 vierzehn Gymnasien und Lyzeen, drei Progymnasien, drei Oberrealschulen und sieben Realschulen. Privatschulen sind das protestantische Gymnasium zu Straßburg, je ein bischöfliches Gymnasium zu Straßburg und Montigny bei Metz, das bischöfliche Progymnasium zu Zillisheim (Oberelsaß) und zwei weitere geistliche Anstalten in Bitsch und Metz.

An Kunst- und wissenschaftlichen Sammlungen gibt es neben der Straßburger Universitätsbibliothek die ebenfalls mit der Universität verbundene Landesmünzsammlung und die städtische naturwissenschaftliche Sammlung. Museen sind die städtischen Kunst- und Gewerbemuseen in Straßburg sowie das städtische Museum in Colmar.

Wahrzeichen der 12 v. Chr. gegründeten Stadt Straßburg ist das von 1176 bis 1439 erbaute romanisch-gotische Münster, das bis 1874 das höchste Gebäude der Welt blieb und bis heute zu den höchsten Kirchenbauten zählt. Markantestes Bauwerk der Zeit als Reichsland ist der 1889 fertiggestellte Kaiserpalast (heute Palais du Rhin) im Stil der Neorenaissance.

 

Territoriale Entwicklung ab 1914/Kulturerbe

Nach den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrags vom 28. Juni 1919 wird nach Ende des Ersten Weltkriegs das Gebiet Elsaß-Lothringens wieder Frankreich angegliedert und zwar rückdatiert auf den Waffenstillstand vom 11. November 1918.
1940 bis 1945 ist das Gebiet erneut von Deutschland besetzt. Elsaß wird Baden, Lothringen dem Gau Westmark angegliedert. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fällt Elsaß-Lothringen wieder an Frankreich.

Der 1889 fertiggestellte Kaiserpalast beherbergt heute als Rheinpalast die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt sowie das regionale Kulturministerium. Der wechselhaften Geschichte des Elsaß und der Stadt Straßburg widmen sich das Musée Alsacien und das Musée Historique in Straßburg. Seit 1988 zählt die Straßburger Altstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO. Straßburg ist zudem Sitz zahlreicher europäischer Einrichtungen wie Europarat, Europaparlament, Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte, Eurokorps, der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt sowie dem deutsch-französischen Kultursender ARTE.

 

Verwendete Literatur