III Dokumentation und Datensätze

Multimedia-Texte

Provinz Sachsen (1820-1914)

 

Gebiet

Die preußische Provinz Sachsen befindet sich in Mitteldeutschland und bildet mit Ausnahme der exklavierten Kreise Schleusingen und Ziegenrück sowie 15 Exklaven ein zusammenhängendes Gebiet. Die Provinz Sachsen grenzt im Norden an das Königreich Hannover und die preußische Provinz Brandenburg. Im Osten liegt die Provinz Brandenburg. Im Süden befinden sich das Königreich Sachsen, das Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg, das Kondominat Reuß-Gera, das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach sowie die Fürstentümer Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt. Die westliche Grenze bilden das Kurfürstentum Hessen-Kassel, das Königreich Hannover, das Herzogtum Braunschweig und das Herzogtum Anhalt-Bernburg.
Der exklavierte Kreis Schleusingen ist von Sachsen-Coburg-Saalfeld, Sachsen-Hildburghausen, Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Gotha-Altenburg und die zu Hessen-Kassel gehörende Exklave Schmalkalden umgeben. Der exklavierte Kreis Ziegenrück liegt zwischen Sachsen-Coburg-Saalfeld, Sachsen-Weimar-Eisenach, Reuß-Greiz, Reuß-Ebersdorf, Reuß-Lobenstein, Schwarzburg-Rudolstadt und Sachsen-Gotha-Altenburg. Die Exklave Wandersleben grenzt an Sachsen-Gotha-Altenburg und Schwarzburg-Rudolstadt. Die Exklaven Benneckenstein, Heßlingen und Hehlingen liegen zwischen Braunschweig und Hannover. Die Exklave Blintendorf befindet sich zwischen Reuß-Gera und Reuß-Lobenstein und die Exklave Gefell zwischen Reuß-Ebersdorf und Reuß-Lobenstein. Die Exklave Sparnberg grenzt an Reuß-Ebersdorf, Bayern und Reuß-Lobenstein, die Exklave Blankenberg an Reuß-Ebersdorf und Bayern. Die Exklave Priorau-Schierau-Möst liegt in Anhalt-Dessau, die Exklave Pösigk in Anhalt-Köthen und die Exklaven Repau und Löbnitz befinden sich zwischen Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen. Die Exklaven Abtlöbnitz und Kischlitz befinden sich in Sachsen-Gotha-Altenburg und die Exklave Kamsdorf ist von Sachsen-Coburg-Saalfeld, der bayerischen Exklave Kaulsdorf und Schwarzburg-Rudolstadt umgeben.
Innerhalb der Provinz Sachsen liegen Anhalt-Dessau, Anhalt-Köthen, weite Teile Anhalt-Bernburgs und Schwarzburg-Rudolstadts, das Hauptgebiet Schwarzburg-Sondershausens, die braunschweigische Enklave Calvörde, die Sachsen-Weimar-Eisenacher Enklaven Allstedt und Oldisleben, die Anhalt-Bernburger Enklaven Tilkerode, Hohen-Erxleben, Hecklingen und Mühlingen, die Anhalt-Köthener Enklave Dornburg, die Anhalt-Dessauer Enklaven Gödnitz, Nedlitz und Großalsleben sowie die Sachsen-Gotha-Altenburger Enklave Volkenroda. Hauptstadt und Sitz des Oberpräsidenten ist Magdeburg.

 

Geographie/Topographie

Für die Provinz Sachsen wird 1821 eine Fläche von 461 Quadratmeilen angegeben. Der GIS-Wert beträgt 25.318km².Der größere nördliche Teil der Provinz Sachsen gehört zum Norddeutschen Tiefland und bietet den fruchtbarsten Boden Preußens, der Süden ist gebirgig. Moore sind westlich der Elbe der Drömling an der Aller und Ohre und das Halberstädter Bruch zwischen Bode und Ocker und östlich der Elbe das Fiener Bruch im Süden von Genthin. Zu den eher hügeligen Gebieten gehören ein Teil des Fläming und die Hellberge bei Zichtau in der so genannten Altmärkischen Schweiz sowie der Landsberg südwestlich von Stendal. Vom Harz liegen im Gebiet der Provinz Sachsen der Brocken, der mit einer Höhe von 1142m gleichzeitig die höchste Erhebung ist, sowie die Roßtrappe und der Auerberg mit der Josephshöhe. Im Süden des Harzes bildet das Tal der Helme (die Goldene Aue) die Grenze zu den Gebirgszügen Thüringens. Der exklavierte Kreis Schleusingen liegt mitten im Thüringer Wald. Hauptfluss der Provinz ist die Elbe. Von Osten her fließen ihr Schwarze Elster, Ehle, Ihle und Havel zu, westlich Mulde, Saale, Ohre, Tanger und Aland. Die Gewässer an der äußersten Süd- und Westseite fließen der Weser zu, darunter Werra, Leine, Aller und Ilse. Bedeutende Seen sind der Arendsee in der Altmark und der Süße See bei Eisleben. Das Klima ist am mildesten an Saale und Elbe im Regierungsbezirk Merseburg, am rauesten im Gebirge.

 

Geschichte und Verwaltungsentwicklung

Die preußische Provinz Sachsen wird 1815 gebildet aus bereits zu Preußen gehörenden Gebieten und 1815 vom Königreich Sachsen an Preußen abgetreten Gebieten. Bereits zu Preußen gehörten das ehemalige Erzbistum Magdeburg mit dem mitverwalteten Teil der Grafschaft Mansfeld, das ehemalige Bistum Halberstadt mit Herrschaft Derenburg und den Grafschaften Hohenstein und Regenstein, die 1815 wieder in Besitz genommene Altmark mit Wernigerode, die 1803 an Preußen gelangte Stadt und Gebiet Erfurt, das Stiftsgebiet Quedlinburg, die Reichsstädte Nordhausen und Mühlhausen und die ehemalige reichsfreie Stadt Schauen. Vom Königreich Sachsen wurden in die Provinz Sachsen integriert das Fürstentum Querfurt, Teile der Bistümer Merseburg und Naumburg, Zeitz, Thüringer Kreis mit den Grafschaften Stolberg-Stolberg und Stolberg-Roßla, Kursächsischer Teil der Grafschaft Mansfeld, Grafschaft Henneberg und Amt Ziegenrück, Grafschaft Barby, Ämter Walternienburg und Gommern sowie Teile des Leipziger und Meißener Kreises. Ebenfalls 1815 kam noch vom Königreich Hannover das Amt Klötze hinzu und 1816 von Schwarzburg-Sondershausen die Gemeinden Bruchstedt und Bothenheiligen und von Schwarzburg-Rudolstadt das Gebiet Wolkramshausen.
Die Provinz Sachsen gliedert sich in die drei Regierungsbezirke Magdeburg, Merseburg und Erfurt. Ab 1824 besteht ein Provinziallandtag, der sich aus Angehörigen der vormals reichsständischen Häuser, aus der Ritterschaft, aus den Vertretern der Städte und der übrigen Grundbesitzer zusammensetzt und 72 Mitglieder zählt. Magdeburg und Merseburg wechseln sich als Versammlungsort des Landtages ab.1866 kommt die zuvor zum Königreich Bayern gehörende Exklave Kaulsdorf hinzu.

 

Bevölkerung/Wirtschaft/Verkehr

Im Jahr 1820 liegt die Einwohnerzahl der preußischen Provinz Sachsen bei 1.276.058. Bis 1850 steigert sie sich um 40% auf 1.792.033. Bis 1914 hat sich die Bevölkerungszahl im Vergleich zu 1820 auf 3.158.000 fast verdreifacht.

Die Provinz Sachsen ist das ertragreichste Gebiet Preußens. Am fruchtbarsten ist die Landschaft zwischen Magdeburg, Zeitz und Erfurt, insbesondere die Magdeburger Börde. Neben dem Getreideanbau ist vor allem der Zuckerrübenanbau in der Magdeburger Börde von großer Bedeutung. Nach der Viehzählung von 1906 gibt es in der Provinz 219.333 Pferde, 817.391 Rinder, 693.649 Schafe, 1.562.610 Schweine und 281.029 Ziegen. Zur Förderung der Pferdezucht bestehen Gestüte in Graditz bei Torgau und in Kreuz-Kröllwitz bei Halle.
Die Braunkohlenlager der Provinz erstrecken sich von Oschersleben über Kalbe bis Weißenfels und Aschersleben, Bitterfeld sowie Wittenberg. Der Braunkohlenabbau liegt 1850 bei 1.111.816 und steigert sich bis 1913 auf 27.682.689t. Das Steinsalzlager in Staßfurt hat durch die große Ablagerung der Kalisalze eine europäische Bedeutung erhalten. Ein zweites Steinsalzlager wird in Ilversgehofen bei Erfurt abgebaut. Salinen gibt es in Schönebeck, Dürrenberg, Artern und Halle.
Die Industrie ist mit Ausnahmen der Zuckerfabrikation auf die größeren Städte und ihre Umgebung konzentriert. Tuchfabriken finden sich vornehmlich in Burg, Aschersleben, Eilenburg und Langensalza, Woll- und Baumwollwaren werden in Nordhausen und Mühlhausen hergestellt. Buckau bei Magdeburg ist ein Zentrum für Maschinenbau und Schiffswerften. Nähmaschinen und Chemikalien werden vor allem in Staßfurt und Schönebeck hergestellt. Fabriken für Zigarren, Tonwaren, Eisenbahnwagen, Dachpappe, Schaumwein und Gewehre sind in Erfurt, Sömmerda und Suhl angesiedelt, und Leinwand, Stärke, Leder, Schuhwaren, Kornbranntwein werden in Nordhausen hergestellt. Die wichtigsten Handelsplätze sind Erfurt, Halberstadt, Halle, Magdeburg, Mühlhausen und Nordhausen.

Mittelpunkte des Eisenbahnnetzes sind Magdeburg und Halle, die 1839 bzw. 1840 Bahnanschluss erhalten. Ende 1904 hat die Provinz 2.810km Haupt- und Nebenbahnen, die als vollspurige Bahnen zum Großteil Staatsbahnlinien sind. Schiffbare Flüsse der Provinz sind Elbe und Saale, hinzu kommt der Plauer Kanal, der Elbe und Havel verbindet. Häfen finden sich mit Magdeburg an der Elbe sowie in Calbe, Halle und Naumburg an der Saale.

 

Kultur und Bildung

Im Jahre 1905 bestehen in der preußischen Provinz Sachsen eine Universität in Halle, ein Predigerseminar in Wittenberg, 27 Gymnasien, sieben Realgymnasien, elf Oberrealschulen, ein Progymnasium, ein Realprogymnasium, acht Realschulen, eine Handelsfachschule, zwölf Schullehrerseminare (elf evangelische, ein katholisches) und ein Lehrerinnenseminar.
Zum Zentrum von Forschung und Wissenschaft bildet sich Halle heraus, das mit der 1694 gegründeten Universität und den 1698 gegründeten Franckeschen Stiftungen bereits akademische und bildungspolitische Traditionen hat: Seit 1878 ist Halle zunächst über die Akademiepräsidenten Sitz der Kaiserlich Leopoldinisch-Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforschenden, kurz Leopoldina genannt. Mit der Einweihung der Bibliothek der Akademie am 23. April 1904 nimmt die Leopoldina ihren festen Sitz in Halle. Des Weiteren versammeln sich in Halle seit 1819 der Thüringisch-Sächsische Geschichts- und Altertumsverein, seit 1839 die Polytechnische Gesellschaft, 1847 der Naturwissenschaftliche Verein für Sachsen und Thüringen, seit 1873 der Verein für Erdkunde und seit 1876 die Historische Kommission für die Provinz Sachsen. 1864 wird in Halle das Provinzialmuseum für Heimatliche Geschichte und Altertumskunde und 1891 das Archäologische Museum eingerichtet.
In Magdeburg erhalten die Bestände des Kunstvereins 1906 mit dem Kaiser-Friedrich-Museum einen Neubau. In Wittenberg wird 1886 das reformationsgeschichtliche Museum "Lutherhalle" gegründet. Mit dem Gleimhaus in Halberstadt entsteht 1862 eines der ältesten Literaturmuseen Deutschlands. Theater gibt es in Magdeburg, Stendal, Halberstadt, Quedlinburg, Halle und Erfurt.

 

Territoriale Entwicklung ab 1914/Kulturerbe

1944 wird die Provinz Sachsen aufgelöst. Aus den Regierungsbezirken Magdeburg und Merseburg werden die Provinzen Magdeburg und Halle-Merseburg gebildet und der Regierungsbezirk Erfurt wird dem Reichsstatthalter von Thüringen unterstellt.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges werden die Provinzen Magdeburg und Halle-Merseburg am 23. Juli 1945 innerhalb der sowjetischen Besatzungszone mit Anhalt zu einer Provinz vereinigt. Gemeinsam bilden sie das am 6. Oktober 1947 gegründete Land Sachsen-Anhalt mit der Hauptstadt Halle. Der Regierungsbezirk Erfurt wird in das neugebildete Land Thüringen integriert und die Stadt Erfurt zu dessen Hauptstadt ernannt. Nach Auflösung des Landes Sachsen-Anhalt 1952 werden die Gebiete der ehemaligen Provinz Sachsen auf die Bezirke Halle und Magdeburg aufgeteilt. Mit dem Beitritt der Länder der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland entsteht das Land Sachsen-Anhalt am 3. Oktober 1990 wieder neu. Landeshauptstadt wird Magdeburg.
Das ehemalige Kaiser-Friedrich-Museum in Magdeburg widmet sich heute als Kulturhistorisches Museum der Stadt und der Region. Die Stadt Halle hat bis heute ihre Position als bedeutender Bildungs- und Forschungsstandort bewahren können und beherbergt nach wie vor die Universität, seit 1933 Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die Franckeschen Stiftungen, die Leopoldina sowie zahlreiche neue wissenschaftliche Einrichtungen. 1993 werden die Luthergedenkstätten Wittenberg und Eisleben in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen, 1994 auch die Stadt Quedlinburg.

 

Verwendete Literatur